Aufbruch zu neuen Ufern Fachtagung der K-IT AG MeSy

FKT Magazin 3/2018
Conferences and Fairs

Das Jahr 2017 endete mit einer Veranstaltung, die in den letzten Jahren fast schon zu einem Pflichttermin im Kalender geworden war: Die K-IT Arbeitsgruppe Mediensysteme (AG MeSy) lud ans Institut für Rundfunktechnik (IRT) nach München. War die zweitägige Veranstaltung sonst als Workshop deklariert, hatte man diesmal unter dem Motto „Die großen Herausforderungen“ die Form einer Fachtagung gewählt. So schwang denn auch etwas Wehmut mit, denn die K-IT AG MeSy wird es im Zuge der Umstrukturierungen bei den Öffentlich-Rechtlichen in dieser Form nicht mehr geben. Doch besteht kein Grund zur Trauer, denn es werde andere Formen der Kooperation geben, wie Susanne Rath (IRT) und Jörg Winkert (MDR) in ihren Begrüßungworten bekräftigten. Winkert forderte in diesem Zusammenhang eine veränderte Herangehensweise an die großen Aufgaben der Zukunft und vor allem mehr Zusammenarbeit. 

Diese Zusammenarbeit wird auch vonnöten sein, will man sich nicht nur den technologischen Veränderungen, sondern vor allem dem veränderten Konsumverhalten von Medieninhalten stellen. Videoexperte und Blogger Bertram Gugel stellte hierzu in seinem Vortrag die Möglichkeiten von Social Videos vor. In Zeiten, in denen Youtube fast so groß sei wie der gesamte US-TV-Markt, führe an diesen neuen Bewegtbildangeboten auch für klassische TV-Sender kein Weg vorbei. Anhand einiger Praxisbeispiele zeigte er auf, wie Kurzvideos gezielt an unterschiedliche Plattformen angepasst werden können, um unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen. Reichweite wird für ihn in diesem Zusammenhang in Zukunft völlig neu definiert. Im Anschluss stellte André Berthold 

(ARD.de) die neue ARD User Service Engine und die neue ARD Mediathek vor. Mit dem Launch des „ARD Players“, der für Mitte des Jahres 2018 geplant ist, wird es möglich, die Nutzer des Angebots durch Registrierung und Vergabe einer persönlichen ID zu identifizieren, was bisher nicht der Fall war. Somit sollen über die User Service Engine künftig auch personalisierte Empfehlungen möglich sein, die für alle digitalen Produkte der ARD verfügbar sein sollen.

Um die richtige Nutzung von Daten und Analytics im Medienumfeld ging es auch im Vortrag von Thomas Ross (IBM), der verschiedene Nutzungsszenarien beispielhaft vorstellte. Er wählte zunächst das Auto als Beispiel für disruptive Technologien: Obwohl  es sich seit seiner Erfindung stark verändert habe, sei es immer noch da. Analog verhalte es sich mit dem Konsum von Bewegtbildern – hier vom Fernsehbildschirm hin zum Mobilgerät. Demzufolge seien die Konsumenten noch da, sie müssten nur richtig adressiert werden. Moderne Analytics-Methoden, die mit  KI und Machine Learning arbeiten, können dabei helfen, Nutzerdaten besser zu analysieren und somit verwertbar zu machen.

Nach der Mittagspause stellte Joachim Bareiß (SWR) die Umsetzung der IT-Strategie von ARD/Deutschlandradio vor, die ein Schlüsselprojekt im Rahmen der ARD-Struktureform darstellt. Ziel ist eine bessere Kooperation der einzelnen Sendeanstalten der ARD, um so Einsparpotenziale durch eine effizientere Nutzung der Ressourcen zu erreichen. Hierzu sei eine veränderte Organisationsstruktur mit mehr Steuerungsmöglichkeiten unerlässlich. 

Mit dem Ziel eines ARD-weiten, crossmedialen Mediendatensystems „medas“ beschäftigten sich im Anschluss Philipp Sevenich und Ralf Walhöfer (WDR). Das Projekt ist ebenfalls als Teil der Strukturreform zu sehen und soll bis 2021 abgeschlossen sein. Es fusst auf dem vom WDR als Ablösung des ARCHIMEDES ystems geplanten Media Data Hub, das inzwischen auch von HR und SWR mitentwickelt wird.

Um Enterprise Architecture Management (EAM) als wesentlichen Teil der Unternehmensarchitektur ging es im nachfolgenden Vortrag von Dirk Vollmershaus (WDR) und Peter Altendorf (IRT). Sie stellten Grundstrukturen und Ziele vor und zeigten am Praxisbeispiel der ARD eine Lösung für den Rundfunk, die bereits Erfolge zeige.

Andreas Lattmann und Sandro Furter (tpc) berichteten dann von den Erfahrungen auf ihrem Weg in Richtung einer All-IP-Infrastruktur. Wesentlich ist für sie die Zusammenarbeit im Rahmen von AIMS und der SMPTE-Standardisierungsgruppe. Als Praxisbeispiel zeigten sie den neuen Reportagewagen UHD 1 mit einer Multi-Vendor-Strategie als Best-of-Breed-Ansatz auf Basis von SMPTE 2110 und AES 67.

Mit dem Thema Cloud am Beispiel der ZDF-Strategie beschäftigten sich Tobias Schwahn und Jochen Metzler (ZDF). Ziel sei eine skalierbare, flexible und schlanke IT- und Prozessarchitektur. Einem Anfang 2017 durchgeführten Proof of Concept zufolge zeigte sich, dass die Technologie zwar vielversprechend sei, jedoch weitere Optimierungen notwendig wären. So waren etwa die Up- und Downloadzeiten zu langsam und für den Online-Schnitt war eine Cloud-Lösung, z. B. aufgrund ruckelnder Bilder, ungeeignet.

Cloud-basiert ging es weiter mit Michael Bauer (Sony) und Madeleine Keltsch (IRT). Bauer stellte die Vision einer Multimedia-Produktionsplattform des Anbieters vor und präsentierte einige Fallbeispiele. Keltsch stellte in ihrem Vortrag fest, dass Cloud-basierte Lösungen funktionierten, allerdings neue Kostenmodelle erforderlich seien.

Den Abschluss des ersten Tages bildete eine Diskussionsrunde mit Wolfgang Wagner (WDR), Michael Götzhaber (ORF) und Bruno Lötscher (SRG SSR) zum Kernthema der Veranstaltung, den „großen Herausforderungen“. Für Götzhaber stehen die Themen 5G und Live-IP-Produktion oben auf der Agenda, Lötscher bringt unter anderem die Themen IT Security und Integration aufs Tablett. Im Zuge der Gebührendebatte, von der alle öffentlich-rechtlichten Sender in Deutschland, Österreich und der Schweiz derzeit betroffen sind, setzte Wagner den Schlusspunkt: für ihn müssen Innovation und Effizienz zusammengeführt werden. 

Ging es am ersten Tag um Möglichkeiten von Kooperation und gemeinsamen Infrastrukturen sowie die Nutzung der „Neuen Medien“, stand der zweite Tag ganz im Zeichen der Produktion.  Zunächst ging es um unterschiedliche Produktionsformate. Dr. Hans Hoffmann (EBU) stellte den Status Quo von UHD und immersiven Produktionsformaten (VR/AR) in Europa vor. Für UHD sieht er mittelfristig eine weitere Verbreitung in unterschiedlichen Ausprägungen. Jedoch seien Kosten, die notwendige Infrastruktur und Erfahrungen bei der Produktion noch Hemmnisse. Er appellierte an die europäischen Broadcaster, sich den Herausforderungen, die durch den Druck der OTT-Anbieter vor ihnen liegen, zu stellen und entsprechend zu handeln.

Wie eine Produktion mit VR-Inhalten aussehen könnte, zeigten Claus Pfeifer (Sony) und Stephan Heimbecher (Sky). In Zusammenarbeit mit Sky wurden beim Champions-

League-Finale VR-Inhalte über die Playstation verfügbar gemacht. Nutzer konnten so über eine Playstation-App das Spiel in einer virtuellen Loge mit verschiedenen Ansichtsmöglichkeiten erleben und sich zusätzliche Informationen zum Spiel anzeigen lassen. 

Im Anschluss ging es um die Formate IMF und MXF. So präsentierte Jens Schneeweiß (IRT) die ersten Ergebnisse des MXF Plugfests 2017 und warf einen Blick auf den Status Quo des Formats. Andy Quested (BBC) zeigte auf, wie IMF in einer TV- und Onlineumgebung genutzt werden kann. Er stellte klar, dass IMF mit den üblichen Arbeitsweisen in der Broadcast-Welt breche, da etwa keine Dateinamen oder Timecode verwendet würden. Im Hinblick auf internationale Co-Produktionen mit unterschiedlichen Sprachversionen das Format jedoch sehr große Vorteile mit sich bringe. 

Um Formate in der praktischen Anwendung ging es, grob vereinfacht, im Vortrag von Mirko Zimmer (HR), der das neue Content-Portal FFA Server vorstellte. Ziel war es, im Zuge der crossmedialen Arbeitsweise und immer größerer, digital zu verarbeitender Datenmengen, eine Austauschplattform für Dateien aller Art zu schaffen, die medienoffen und möglichst intuitiv in der Nutzung ist sowie Funktionen wie den mobilen Upload ermöglicht.

Visualisierung und Automatisierung im Studio in der Praxis wurden anhand des neuen Studio A („Home of Football“) im Sport-Sendezentrum von Sky sowie des neuen Landesschau-Studios des BR aufgezeigt, die beide im letzten Jahr in Betrieb genommen wurden. Abgerundet wurde der Themenbereich durch Dr. Christian Keimel (IRT) und Harald Renz (Signum Bildtechnik), die mit VisualMedia ein System zur Gestensteuerung im Studio vorstellten. Ziel des Projekts, an dem mehrere Partner beteiligt sind, sei es, eine Standard-Social-Mecia und 3D-Grafikumgebung zu schaffen.

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch das Dauerbrennerthema der letzten Monate „IP in der Produk-

tion“.  Markus Berg (IRT) warf dabei zunächst einen Blick auf aktuelle Standards und Trends. In seiner Präsentation ging er vor allem auf die aktuell noch vorhandenen Schwachstellen ein. So habe man zwar seit 2016 einen Schritt nach vorne gemacht, jedoch sei eine IT/IP-Gesamtlösung noch mit einigen Fragezeichen versehen und Dinge wie IT-Security, Verantwortlichkeiten für die Netze oder auch Migrationskonzepte noch nicht final geklärt. 

Von der Theorie ging es dann erneut in die Praxis: Markus Ostertag (SWR) berichtete von den Erfahrungen mit dem Live-IP-Testlab des Senders am Standort Baden-Baden. Er stellte klar, dass es bei der Implementierung von IP-Technik nicht um das 1:1 Abbild bestehender Broadcast-Technik gehe. Vielmehr müsse in IT-Grundsätzen gedacht werden. Auch solle man das „große Ganze“ im Blick haben und über die eigene Broadcast-Welt hinausdenken.  

Ein Ansatz, den auch BCE beim Aufbau des RTL City-Sendezentrums verfolgte. Andreas Fleuter stellte den Ansatz vor und zog das Fazit, dass man zwar viele der im Vorfeld gesteckten Ziele erreicht habe, die Ausgestaltung jedoch sehr komplex war und Dinge wie die Integration von Drittherstellern mit großem Aufwand verbunden waren. 

Die Fachtagung der AG MeSy hat einmal mehr gezeigt, wie vielschichtig die Herausforderungen sind, vor denen die Sender im Zuge der digitalen Transformation und Umstellung auf IP stehen. Ein Aufbruch zu neuen Ufern trotz Sparzwängen im öffentlich-rechtlichen Bereich und einiger Unsicherheiten hinsichtlich der Konsumenten ist jedoch nötig und möglich.