Das WDR Funkhaus gehört zu den renommiertesten Spielstätten in Nordrhein-Westfalen. Kürzlich installierte der WDR eine neue Multimedia-Regie, um die crossmediale Bedeutung des Hauses weiter zu unterstreichen. Der Artikel befasst sich mit den Einzelheiten zur Installation.
Mitten im Herzen von Köln und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom befindet sich das WDR Funkhaus: Mit dem „Klausvon-Bismarck-Saal“, dem „kleinen Sendesaal“ und seinen circa 250 Veranstaltungen pro Jahr ist es das zweithöchstfrequentierte Veranstaltungshaus in Nordrhein-Westfalen, direkt nach der Kölner Philharmonie. Hier werden vor allem Konzerte mit einer großen musikalischen Bandbreite produziert und live übertragen, unter anderem vom WDR Rundfunkchor, der WDR Big Band, dem WDR Sinfonieorchester und dem WDR Funkhausorchester. Außerdem kommen diverse Gesprächsrunden, Comedyveranstaltungen, Shows und sonstige Veranstaltungen aus dem WDR Funkhaus.
Crossmediale Produktion
Um die beiden Sendesäle in der öffentlichen Wahrnehmung als crossmediale Spielstätte weiter bekannt zu machen, installierte der WDR kürzlich eine moderne, „smarte“ Multimedia-Regie mit der dafür benötigten Infrastruktur. Ziel ist es nach eigenen Angaben, die Verfügbarkeit der Veranstaltungen im Internet zu erhöhen und die Präsenz der Klangkörper in den sozialen Netzwerken zu steigern. Dabei soll zu der qualitativ hochwertigen Tonproduktion ein Videobild als Mehrwert hinzugefügt werden, das den anspruchsvollen Erwartungen der Zuschauer gerecht wird und mit geringem Aufwand hergestellt wird.
Die Planung der Smart-Production-Regie erfolgte mit Hilfe von Studio Hamburg MCI, sodass kurzfristig ein Testszenario für den WDR aufgebaut werden könnte. Die hierin eingesetzten Demosysteme umfassten unter anderem den Carbonite-Bildmischer, das Grafiksystem XPression sowie das Ross-Dashboard (alles Ross Video), sodass der Sender auch über die Planungsphase hinaus unterstützt werden konnte.
Die Entscheidung für die gewählte Produktionstechnik fiel nach einer Marktanalyse im Rahmen einer Bachelorarbeit. Die kompakten Bildmischer der Carbonite-Serie verfügen über die im Rundfunkumfeld erforderlichen Funktionen und zeichnen sich durch spezielle Vernetzbarkeit und anpassbare GUI aus.
Die GUI realisiert der Hersteller in Form der individuell anpassbaren Java-Applikation DashBoard. Darüber lassen sich gewünschte Funktionen des Bildmischers, aber auch andere in der neuen WDR Multimediaregie eingesetzten Geräte und Hersteller auf einer übersichtlichen Oberfläche intuitiv fernbedienen. So stehen dem Bediener wichtige Funktionen des Grafiksystems, der Zuspieler, der Video-Kreuzschiene, des 4-kanaligen Ingests sowie des Multiviewer-Setups auf einem Touch-Monitor zur Verfügung.
Genau diese Individualisierbarkeit war wichtig für die neue Multimediaregie, denn es sollte ein schmales, skalierbares Personalkonzept ermöglicht werden. Bei kleinen Produktionen mit auf der Bühne festgelegten Positionen steuert ein Bediener alle Geräte der Multimediaregie für den Livestream, d. h. bis zu sechs fernsteuerbare Kameras, Bildmischer, Schriftgenerator, Aufzeichnung, Zuspielung, Kreuzschiene, Ausspielwege, usw.
Bei den meisten Orchesterproduktionen realisieren zwei Bediener die Produktion. Und in der höchsten Kategorie, meist dynamische oder szenische Produktionen, führen maximal drei Personen in der Regie Livestreams mit bis zu acht Kameras durch. Die individuelle Technik unterstützt sie bei der gestalterischen Arbeit.
Fokussierte GUI
Durch das DashBoard erfolgte sozusagen eine Anpassung der Technik an das Produktionsteam, um eine Fokussierung auf die wichtigsten Funktionen während der Live-Produktion zu ermöglichen und den meist langjährigen Mitarbeitern der Musikproduktion – mit hoher Affinität zur Tonproduktion – den Zugang zur Videotechnik zu erleichtern. Auf diese Weise ist aber auch die volle Produktionsbandbreite, von einfachen Internet-Streams bis hin zu anspruchsvollen Konzertübertragungen für den klassischen Fernseh-Verbreitungsweg zu realisieren.
Bei einer klassischen Studioproduktion wird der Ablauf in der Regel sehr detailliert geplant und mehrfach geprobt. Die Bedienung jedes Geräts wird üblicherweise durch einen eigenen Arbeitsplatz sichergestellt, zum Beispiel Kamerasteuerung, Bildmischung, Einblendung von Schriften, Aufzeichnung der Signale am sogenannten „MAZ“-Platz, usw.
Auf dem DashBoard werden nun an nur einem Arbeitsplatz die wichtigsten Funktionen aller Geräte abgebildet und durch nützliche Funktionalitäten ergänzt. Als Beispiel seien hier genannt: Bauchbinden können in Dashboard geschrieben, mit Farben optisch sortiert, mit Ein- und Ausblend-Timern automatisiert und mit „AutoCue“ auch einer Rundown-Liste unterzogen werden. Aufzeichnungen werden für bestimmte Uhrzeiten vorprogrammiert sowie die Steuerung und Kontrolle des Recorders sichergestellt – in der Hektik geht so keine Aufzeichnung mehr verloren.
Zudem werden über das Dashboard Mischebenen des Bildmischers zur Verfügung gestellt, die sonst im Livebetrieb nur durch Umschalten verwendet werden konnten. Und auch dabei sind Logiken integriert, die sicherstellen, dass z. B. auf den Projektionsflächen der Bühne niemals die Totalen-Kamera geschnitten und so ein Feedback erzeugt wird. Darüber hinaus speichert die Dash-Board-Oberfläche sämtliche Kreuzungspunkte und Produktions-Einstellungen und ermöglicht damit ein geräte- und herstellerübergreifendes „Total Recall“ der Multimediaregie.
Durch die Vereinfachung der Bedienung und die Verwendung von vorbereiteten Setups ist man in der Lage, ein Ergebnis zu liefern, das den Qualitätsansprüchen einer klassischen Fernsehproduktion sehr nahe kommt. So werden neben der Bereitstellung im Internet (Livestream, Mediatheken von WDR, ARD und arte) auch die herkömmlichen Verbreitungswege, wie eben das klassische WDR Fernsehen, genutzt.
Schlussbemerkung
Im Fokus des neu erschaffenen Formats stand das ressourcenschonende Produzieren. Durch die intelligente Vernetzung von klassischer Broadcasttechnik und der Weiterentwicklung von Bedienschnittstellen, Arbeitsplätzen und Workflows hat man es geschafft, einen Produktionsweg zu finden, der ebenso außergewöhnlich wie smart ist. Somit lässt sich feststellen, dass der Bedarf hin zu einfacheren oder smarteren Produktionsweisen und den damit verbundenen veränderten Anforderungen an die Bedienung, Technik und das Personal, nicht im Gegensatz zu den hohen Qualitätsanforderungen moderner Produktionen steht.