350.000 Tweets, 65.000 Foto-Uploads und 350.000 Scrolls auf Instagram, mehr als 400 Stunden neues Videomaterial auf YouTube, 3,8 Millionen Suchanfragen bei Google – und das in nur einer Minute.1) Diese Fakten verdeutlichen, wie herausfordernd es für eine Redaktion ist, aus der Unmenge an Informationen jene herauszupicken, die für das jeweilige Medium und dessen Zielgruppe relevant sind. Manuell lässt sich solch eine Aufgabe keinesfalls bewältigen. Auch gängige Technologien und Systeme stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Grenzen, die eine redaktionelle Themenplanung auf Basis von künstlicher Intelligenz (KI) durchbricht.
Redaktionen – ganz gleich, ob in großen Medienkonzernen, überregionalen Tageszeitungen, lokalen Wochenblättern oder Agenturen – stehen allesamt vor derselben Herausforderung: Nicht nur die Menge an Informationen wächst rasant, sondern auch die Anzahl der Informationsquellen. Zu den etablierten Quellen, wie etwa Nachrichtenagenturen, Recherchenetzwerke, Pressesprecher, Veranstaltungsportale, Behörden, persönliche Kontakte und die Recherchen der eigenen Redakteure, gesellen sich immer mehr Posts aus den sozialen Medien. Vor diesem Hintergrund sind Newsrooms gefordert, die Nachrichten- und Informationslage permanent zu monitoren, das Relevante herauszufiltern und es in ihre eigene Themenplanung aufzunehmen. Immer dann, wenn Informationen digital vorliegen, entfaltet eine KI ihre besondere Stärke: Sie ist in der Lage, unzählige Streams zu überwachen und die eingehenden Meldungen vorzusortieren – von Nachrichtentickern über die Websites von Medienhäusern bis hin zu Twitter-Feeds. Zudem strukturiert sie eingehende Meldungen sowie Posts und fasst diese in Themen-Clustern zusammen.
Themenspezifische Meldungen und Beiträge KI-basiert analysieren
Im Mittelpunkt stehen dabei Methoden des Natural Language Processings (NLP). Die künstliche Intelligenz untersucht vorhandene Texte, Meldungen und Posts im Hinblick auf Merkmale (Features) wie Personen, Orte, Institutionen und Sachverhalte. Auf Basis einer Named Entity Recognition extrahiert sie dabei relevante Informationen und erkennt inhaltliche Zusammenhänge. Die KI leitet aus den Texten weitere sinntragende Informationen über die bereits offengelegten Merkmale ab. Indem sie die gefundenen Merkmale (Entitäten) dann über ein Wissensnetz begrifflich eindeutig bestimmt (Disambiguierung), kann sie eine Entität wie „Angela Merkel“ definieren und ihr eine Bedeutung zuschreiben, etwa „Bundeskanzlerin“. Zugleich generiert sie mittels Disambiguierung hilfreiche Zusatzinformationen und fügt sie der Entität hinzu, zum Beispiel „Frau“, „Physikerin“, „Bundestag“, „Berlin“, „CDU“. Nachdem die KI die Merkmale in Vektoren umgerechnet hat, vergleicht sie die Features verschiedener Texte aus unterschiedlichen Quellen miteinander und berechnet, wie ähnlich die inhaltlichen Ausprägungen sind (Embedding). Abschließend erstellt sie eine Liste mit passenden Meldungen und Informationen.
Beiträge crossmedial planen
Indem die künstliche Intelligenz die Nähe zwischen Themen berechnet und ähnliche Meldungen – übersichtlich sortiert – in einem Dashboard darstellt, gewinnen Redakteure sehr schnell einen guten Überblick über die aktuelle Themen- und Nachrichtenlage. Zugleich können sie verschiedene Themenkomplexe gezielt durchsuchen und relevante Nachrichten taggen: Während ein Artikel eines konkurrierenden Mediums zum Beispiel einen Überblick über ein Thema liefert, geht ein Nachrichtensender in einem Beitrag auf seiner Website näher auf einen bestimmten Aspekt desselben Themas ein. Parallel kündigt sich in den sozialen Medien ein Shitstorm an, weil das Thema gesellschaftliche Brisanz hat. Redakteure können nun entscheiden, welche Aspekte sie für einen späteren Artikel oder TV-Beitrag als relevant erachten.
Per Drag-and-Drop ist es ihnen möglich, ihrer eigenen Themensammlung thematisch passende Tweets und multimediales Archivmaterial hinzuzufügen. Indem sie diese Themensammlung um Agentur- und Pressemeldungen sowie Social Media Posts erweitern, ergibt sich ein immer vollständigeres Bild des Themas. Wichtig ist, dass alle Objekte innerhalb der Themensammlung miteinander verknüpft sind. So ist sichergestellt, dass das immer komplexere Weltgeschehen in der redaktionellen Themenplanung adäquat abgebildet ist. Schlussendlich sind Redakteure in der Lage, Beiträge für alle an das Tool angebundenen Kanäle und Plattformen crossmedial zu planen und auf Basis der vorab erstellten Themensammlung passende Artikel zu erstellen sowie medienspezifisch umzusetzen. Dabei stellen Konnektoren zu Social-Media-Plattformen und internen Produktionssystemen sicher, dass Beiträge weiterverarbeitet und im gewünschten Publikationsmedium veröffentlicht werden können.
Collaboration erhöht Effizienz von Redaktionen
Um zu verhindern, dass mehrere Redakteure denselben Themenkomplex bearbeiten, zeigt das KI-basierte Planungs-Tool an, ob sich weitere Kollegen mit dem identischen Sachverhalt beschäftigen. Davon profitieren insbesondere die Newsrooms großer Medienhäuser. Sie können die Ressourcen ihrer Mitarbeiter besser nutzen: Redakteure arbeiten entweder gemeinsam an einem vielschichtigen Thema oder beleuchten jeweils verschiedene Aspekte eines Themenkomplexes. Die Fähigkeit, kollaborativ zusammenzuarbeiten und personelle Ressourcen optimal zu nutzen, steigert die Effizienz und den Output von Redaktionen deutlich.
Dem Wettbewerb einen Schritt voraus sein
Einen weiteren Vorteil entfaltet eine Lösung für die KI-gestützte Themenplanung beim Monitoring der Konkurrenz. Die künstliche Intelligenz analysiert ähnliche News des Wettbewerbs und generiert aus ausgewählten Twitter-Feeds individuell zusammenstellbare Streams, die sich in Echtzeit aktualisieren. So erhalten Redakteure bei der Ausarbeitung eines Themas einen aktuellen Überblick über die neuesten Veröffentlichungen innerhalb ihrer Peer Group. Sie wissen nicht nur, welches Medium sich auf welche Aspekte fokussiert, sondern auch, welche Themen in welchem Kanal und in welchem regionalen oder lokalen Umfeld gerade im Trend liegen. Auf dieser Grundlage können sie sich mit ihrem eigenen Beitrag vom Wettbewerb abgrenzen, sich einem Thema aus einer anderen Perspektive nähern oder es inhaltlich weiterführen. Auch für eine wirkungsvolle Suchmaschinenoptimierung (SEO) ist es essenziell, die Konkurrenz im Auge zu behalten. Mit dem Wissen um den Wettbewerb können Redaktionen ihr Ranking in organischen Trefferlisten deutlich verbessern.
Archivmaterial automatisch durchsuchen
Neben der Planung leistet ein KI-basiertes Planungs-Tool auch bei der Themenausarbeitung eine wertvolle Hilfestellung. Mittels Verschlagwortung können Redakteure festlegen, welche Aspekte sie in einem späteren Artikel oder TV-Beitrag beleuchten möchten. Sie wählen aus einer Input-Liste, welche die KI automatisch generiert, relevante aktuelle Inhalte aus verschiedenen Quellen sowie passende Keywords aus und fügen sie ihrer Themensammlung hinzu. Die gewählten Keywords machen das Thema für andere Redakteure leichter auffindbar. Zudem können Anwender das Archivmaterial KI-gestützt durchsuchen, etwa nach früheren Veröffentlichungen der eigenen Redaktion sowie nach passendem Bild-, Video- und Audio-Material. Sie geben ein Stichwort in die Suchmaske ein, und die KI spielt passende Vorschläge innerhalb weniger Millisekunden aus, indem sie die ebenfalls durch Verfahren der künstlichen Intelligenz automatisch extrahierten Metadaten im Hinblick auf ihre Ähnlichkeit mit dem Suchbegriff analysiert. So gewinnen Redakteure einen Überblick über ein Thema und können in einem neuen Artikel auf ältere Beiträge verweisen oder sie verlinken.
Wissen, welche Themen morgen relevant sein werden
Über die momentanen Möglichkeiten hinaus wird ein KI-gestütztes Tool für die crossmediale Themenplanung zukünftig große Potenziale eröffnen, was die Erstellung von Prognosen betrifft. Indem eine künstliche Intelligenz auf Unmengen an historischen sowie Reichweitendaten zugreift und sie gezielt auswertet (Big Data), kann sie Vorhersagen für zukünftige Entwicklungen ableiten und ein recht zuverlässiges Prognosemodell entwickeln: Wie gut sind die Chancen, dass sich ein Thema zu einem Trend entwickeln wird? Hat es das Potenzial, eine große Reichweite zu erzielen? Die Kenntnis um erwartbare Trends versetzt Newsrooms in die Lage, aus der Vielzahl an Themen die vielversprechendsten herauszufiltern und ihre Mitarbeiter optimal einzusetzen, um die richtigen Themen auszuarbeiten.
Gekommen, um zu bleiben
KI-gestützt automatisiert sind viele Prozesse der crossmedialen Themenplanung keine ineffiziente Aufgabe mehr, sondern Erfolgsfaktoren, die den entscheidenden Unterschied zum Wettbewerb machen. Redaktionen können beliebige Informationsquellen in einem zentralen Tool bündeln, inhaltlich verwandte Informationen zu einem Thema zusammenfassen und Beiträge aller Art einfach und schnell planen – von Texten über Videos und Audios bis hin zu Social Media Posts. Schon bald wird es möglich sein, ein redaktionelles Planungs-Tool zu einer vollständigen Redaktions-Plattform zu erweitern – crossmediale Produktion inklusive. Dabei wird eine KI zum Beispiel nicht nur automatisch ermitteln, in welchem Format ein Video-Beitrag in welchem Kanal auszuspielen ist und ihn in das benötigte Videoformat umwandeln. Sie wird auch prognostizieren, wann der ideale Zeitpunkt sein wird, um das Video auszuspielen. KI-gestützte Redaktions-Tools werden kommen – und bleiben.