Hochkarätige Fachtagung mit Netzwerk-Charakter

Nachlese zur 29. FKTG-Fachtagung in Erfurt

FKT 12/2022
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Mehr als 330 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben mit der 29. FKTG-Fachtagung eine bemerkenswerte Veranstaltung erlebt, sei es vor Ort im Congress­Center der Messe Erfurt oder remote in zwei parallelen Live-Streams am heimischen Computer. Hochinteressante Vorträge, eine gut besuchte begleitende Ausstellung und ein unterhaltsames Rahmenprogramm haben die Branche nach der coronabedingten Pause wieder zusammengebracht. FKT-Nachlese zu einer Arbeitswelt im Wandel, zu liebgewonnenen Traditionen und zu erhöhten Schlagzahlen.

Nach einem Grußwort von Dr. Tobias Knoblich, Beigeordneter für Kultur und Stadtentwicklung Erfurt, würdigte MDR-Betriebsdirektor Dr. Ulrich Liebenow die Arbeit der Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft (FKTG). „Bereits ein ganzes Jahrhundert begleitet die FKTG die technologische Weiterentwicklung von Rundfunk und Fernsehen nicht nur, sondern prägt sie auch aktiv mit“, betonte er. Der Blick zurück – den später im Tagungsprogramm Professor Adolf Finger von der TU Dresden werfen sollte – bildet nach Liebenowscher Lesart die Basis für die Zukunft. Eine Zukunft, die sich mit hoher Dynamik verändert. Technologien wie Künstliche Intelligenz, Big Data, Cloud und Personalisierung werden Teil des beruflichen (und privaten) Alltags. „Inhalte und Technologien sind in dem Zeitalter der Vernetzung kaum noch voneinander zu trennen.“ Gleichzeitig werde auch ein Kampf um Ressourcen sichtbar. „Das sehen wir gerade an der Diskussion zu Frequenzen, die wir derzeit noch für den Rundfunk nutzen und die natürlich auch für andere begehrlich sind“, deutete Liebenow einen Konflikt an, der die Branche im kommenden Jahr auf der Weltfunkkonferenz 2023 (WRC) beschäftigen wird. 

Arbeitswelt im Wandel
Der MDR-Betriebsdirektor erinnerte daran, wie stark technologische Innovationen und gesellschaftliche Krisen die Arbeitswelt transformiert haben – gerade in der jüngeren Vergangenheit. „Die ortsunabhängige Nutzung von Daten und Diensten im beruflichen Kontext hat es uns ermöglicht, dass wir auch in den Zeiten der Pandemie mit allen ihren Einschränkungen unsere Aufgaben erfüllen könnten.“ Gleichzeitig hat sich im privaten Umfeld die Digitalisierung rasant entwickelt. „Die mobile und nonlineare Nutzung von Medien nimmt deutlich zu.“ Dass sich damit auch das klassische Verhältnis zwischen Sender und Empfänger auflöst, stellt die ganze Branche vor neue Herausforderungen. Entscheidend sei, sich an diese Veränderungen noch schneller anzupassen – technologisch mit Blick auf die Produk­tionsmittel, aber auch personell mit Blick auf die Qualifikation der Beschäftigten und auf die Gewinnung von Nachwuchs. „Wir sind alle im Wettbewerb um die guten Köpfe“, skizzierte er die schwierige Situa­tion, mit der Unternehmen konfrontiert sind – angesichts des demographischen Wandels und des baldigen beruflichen Ausscheidens der so genannten „Babyboomer“. Der FKTG kommt in diesem Entwicklungsprozess eine besondere Rolle für den Rundfunk in Deutschland zu, daran ließ Liebenow keine Zweifel. Einerseits schaffe es der Verein, Wissen zu bündeln und zu teilen. „Andererseits trägt die FKTG auch dazu bei, dass sich Menschen miteinander besser vernetzen können, ihre Kompetenzen austauschen und letztlich auch gefördert werden.“ 

Liebgewonnene Tradition
Die Förderung und Auszeichnung von herausragenden Arbeiten ist seit jeher eine der wichtigsten Aufgaben der FKTG. Und so gehört es zu liebgewonnener Tradition, dass der Verein auf seiner Fachtagung Preise für Innovationen in der Medienbranche vergibt, darunter die renommierte Richard-Theile-Medaille, einen Förderpreis für den wissenschaftlichen Nachwuchs (Rudolf-Urtel-Preis), einen Innovationspreis für Informationstechnik in der Medientechnologie sowie Hochschul-Absolventen-Preise für ausgezeichnete Abschlussarbeiten (zu den Preisträgern 2022 siehe Beitrag auf Seite 41).

Der neue FKTG-Vorstand präsentierte sich indes auf der Fachtagung in Erfurt erstmals einer breiteren Öffentlichkeit – mit dem Ersten Vorsitzenden Prof. Dr. Rainer Schäfer, der Zweiten Vorsitzenden Sonja Langhans sowie die Vorstandsmitgliedern Ulf Genzel (Kassenwart und Förderfirmenbeauftragter), Dominique Hoffmann (Schriftführerin), Christiane Janusch (Regio­nalgruppenbeauftragte), Jürgen Sewczyk (verantwortlich für Verbandskooperationen), Dr. Lucien Lenzen (Hochschulbeauftragter), Jan Bohacek (Hochschulbeauftragter) und Michael Bauer (Förderfirmenbeauftragter).

Prof. Dr. Schäfer dankte dem ausgeschiedenen Vorstand – insbesondere dem früheren Ersten Vorsitzenden Prof. Dr. Siegfried Fößel – für die Arbeit der vergangenen Jahre und warf einen Blick voraus auf die künftigen Aktivitäten. So sollen die Mitglieder nunmehr noch stärker einbezogen werden. Eine erste Online-Umfrage hat der Vorstand auf der Fachtagung gestartet und im Nachgang per E-Mail allen Mitgliedern zur Verfügung gestellt  – erste Ergebnisse sollen Mitte Dezember (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) vorliegen. 

Die FKTG, führte Prof. Dr. Schäfer weiter aus, verstehe sich als wichtigste unabhängige Media- und IT-Branchenplattform in Deutschland – mit der Aufgabe, Wissen zu bündeln, Kompetenzen zu vernetzen, Innovationen zu teilen und Nachwuchs zu fördern. Dass der Verein es mit dem Anspruch der Wissensvermittlung und Vernetzung ernst meint, bewies das hochinteressante, äußerst vielfältige Tagungsprogramm in Erfurt mit über 70 Vorträgen an drei Tagen. Nachdem zum Auftakt wie eingangs eingeführt der Dresdner Professor Adolf Finger 100 Jahre spannende Medientechnik-Historie Revue passieren ließ, erörterte Professor Peter C. Slansky (HFF München), wie sich zu Beginn der 1920er Jahre die ersten akademischen Ausbildungsstätten etablierten – und warum die FKTG-Vorläuferorganisation Deutsche Kinotechnische Gesellschaft (DKG) eine nicht unwesentliche Aktie daran hatte. In die Jetzt-Zeit führte Alain Polgar (Media­Strat), der mit einem aufschlussreichen Vortrag aktuelle Verschiebungen innerhalb des Streaming-Marktes skizzierte. Zu weiteren Themenschwerpunkten des ersten Tagungstages zählten internationale Trends in der Broadcast- und Media Tech-Industrie, die Bedeutung agiler Methoden sowie der Einfluss von Cloud, Daten, Künstlicher Intelligenz (KI) auf die moderne Medienproduk­tion.

Auf der anschließenden Abend-Festveranstaltung rückte die FKTG ihre Geschichte in den Fokus – dem 100-jährigen Bestehen entsprechend in angemessen klassizistischem Rahmen im Erfurter Kaisersaal. Die Autoren der Festschrift „100 Jahre FKTG“, Professor Stephan Breide und Eckhard Stoll, erzählten eindrucksvoll, wie es zu der Publikation kam und welche Unwägbarkeiten mit der Edierung einer solchen Jahrhundertschrift verbunden sein können. Breide und Stoll hatten zudem eigens für die Fachtagung die Videoinstallation „100 Jahre FKTG in 30 Minuten“ konzipiert, die die Ausstellungsbesucher im ersten Stock des Erfurter CongressCenters inspizieren konnten (die zehn animierten Filme à drei Minuten stehen nunmehr auch online unter fktg.org/node/17039 zur Verfügung).

Erhöhte Schlagzahl
Mit dem zweiten Tagungstag erhöhten die Organisatoren um FKTG-Geschäftsführer Jürgen Burghardt die Schlagzahl: Der große Vortragsraum im Congress­Center wurde flugs geteilt – somit blieb es an den Besucherinnen und Besuchern, sich zwischen Saal 1 (mit den Schwerpunkten Metadaten; neue Infrastrukturen; IP) und Saal 2 (mit den Themenkomplexen Audio und Radio; Audio und Algorithmik; AI und Algorithmik sowie Asset Management der Zukunft) zu entscheiden. Gleiches galt für den dritten Veranstaltungstag mit dem Fokus auf Remote Production, Cloud und Hybrid; Virtual Production; UHD & Produktionstechnik und Bildaufnahmetechnik in Saal 1 sowie auf HbbTV; 5G & Distribution; Nachhaltigkeit und „Aus Hochschule & Forschung: Video Coding“ in Saal 2.

Hybrides Konzept
Die Entscheidung für einen der beiden Säle fiel des Öfteren nicht leicht, zu spannend waren die Themen in beiden Veranstaltungssträngen. Dennoch musste keiner der Besucherinnen und Besucher befürchten, Wichtiges zu verpassen. Von Anbeginn war die FKTG-Fachtagung als Hybrid-Veranstaltung mit zwei Live-Streams konzipiert. Jürgen Burghardt und das Technik-Team um Christian Koch sorgten mit Verve und Einfallsreichtum für einen reibungslosen Ablauf des virtuellen Live-Geschehens (siehe hierzu Beitrag „Wie Fernsehen, nur aufregender“). Nach Themenblöcken aufbereitet, steht das komplette Tagungsprogramm allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nun mittlerweile online auf Abruf zur Verfügung.

Fazit
Mit der 29. FKTG-Fachtagung ist dem neuen Vorstand um Prof. Dr. Rainer Schäfer und dem Organisationssteam um FKTG-Geschäftsführer Jürgen Burghardt eine würdige Veranstaltung zum 100(+2). Bestehen der Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft gelungen. Neben dem Blick zurück auf eine traditionsreiche Medientechnik-Geschichte hat es die FKTG in Erfurt vermocht, mit einem inhaltlich breit gefächerten, sehr vielfältigen und fachlich fundierten Tagungsprogramm, einer gut besuchten begleitenden Ausstellung und einem unterhaltsamen Rahmenprogramm  die Branche auch wieder in den persönlichen Kontakt zu bringen. Eine Präsenzveranstaltung ist für unmittelbare Wissensvermittlung und die Bildung neuer Netzwerke unabdingbar, das hat Erfurt nochmals deutlich vor Augen geführt. Und nach den pandemischen Dürrejahren war die Erleichterung vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich endlich wieder persönlich treffen zu können, spürbar zu vermerken. Der Auftakt ist gemacht.

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