IBC 2017 – Jubiläum stellt Weichen für IP

FKT Magazin 10/2017

Wer in der Hoffnung auf eine glamouröse Jubiläumsveranstaltung vom 14. bis 19. September zur IBC nach Amsterdam gereist war, wurde sicher enttäuscht: Nicht nur das Wetter zeigte sich mit nahezu Dauerregen grau in grau, auch die europaweit größte Fachmesse für Broadcasttechnik hatte sich zu ihrem 50. Geburtstag, wenn überhaupt, nur sehr dezent herausgeputzt. Einziger Glanzpunkt war vielleicht, zumindest für Fußballbegeisterte, das Benefiz-Spiel am Samstagabend, bei dem einige ehemalige Stars von Oranje und Ajax aufliefen.

Ganz anders Arri, die am Donnerstagabend mit einer großen Party für geladene Gäste ihr Jubiläum im Amsterdamer Filmmuseum The Eye begingen, einer von mehreren, weltweit stattfindenen Feierlichkeiten, aber zum 100. Geburtstag sollte das auch erlaubt sein.

Nicht nur im Erscheinungsbild, auch inhaltlich war die IBC in diesem Jahr von Pragmatismus und Bodenständigkeit geprägt. In aller Munde war die Einführung der ersten Standards der SMPTE-ST-2110-Standardreihe für den IP-Signalfluss in Echtzeit. Dementsprechend großen Zulauf hatte der IP Showcase bei dem die teilnehmenden Partner durchgehende, IP-basierte Workflows für Produktion und Playout in der praktischen Anwendung zeigten.

Bereits bei der Einführung im letzten Jahr war der Showcase eine der Publikumsattraktionen, für viele aber gefühlt noch Zukunftsmusik. In diesem Jahr war man in der Realität angekommen. Als Partner des IP Showcases unterstützten neben der SMPTE die Audio Engineering Society (AES), Alliance for IP Media Solutions (AIMS), Advanced Media Workflow Association (AMWA), European Broadcasting Union (EBU), IABM, Media Networking Alliance (MNA) und das Video Services Forum (VSF) die Veranstaltung. Über 40 Unternehmen präsentierten auf engstem Raum gebündelt ihre IP-interoperablen Lösungen auf Grundlage von SMPTE ST 2110 und den AMWA-NMOS-Spezifikationen. Und nicht nur beim IP Showcase, sondern auch bei Produktpräsentationen im Rahmen der Messe wurde man vielerorts nicht müde zu betonen, dass die gezeigten Lösungen mit Blick auf SMPTE ST 2110 konzipiert wurden.

Im Zusammenhang mit der Umrüstung auf IP/IT-Technik sind natürlich auch die Themen Cloud und Virtualisierung nicht weit. Besonders die Verwendung im Live-Umfeld (Stichwort: Remote Production) ist seit einiger Zeit aus den Diskussionsrunden der einschlägigen Branchenveranstaltungen nicht mehr wegzudenken. Auf der Messe wurden an verschiedenen Ständen Anwendungsbeispiele demonstriert und die Ankündigungen der Integration verschiedener Dienste mit den Lösungen der großen Cloud-Anbieter im Rahmen der Pressemeldungen zur Ausstellung waren zahlreich.

Auf der IBC-Fachkonferenz wurde unter anderem das Thema „Cloud. How far can it go?“ von einer Expertenrunde diskutiert. Zu den zentralen Fragen gehörten etwa, welche Bereiche im Medienumfeld in den kommenden Jahren in die Cloud migrieren, was vielleicht heute schon nützlich ist und welche Hürden es noch zu überwinden gilt, um mit der Cloud wirklich Ressourcen einsparen zu können. Und, ein interessanter Ansatz, wie schnell kann ein Sendezentrum künftig errichtet werden, wird etwa ein Bau oder Umbau „auf Abruf“, einfach so möglich?

Auch im diesjährigen FKTG-Diskussionspanel am Montagnachmittag ging es um die Virtualisierung der Medien-/TV-Produktion und -Distribution und damit auch um Cloud-basierte Lösungen. Aus Anbieter- und Anwendersicht diskutierten die geladenen Gäste das Thema, stellten Lösungsansätze und bisherige Best Practices vor. (Ein ausführlicher Bericht zum Thema erscheint aus Gründen des inhaltlichen Schwerpunkts in der Ausgabe 11/2017 mit Erscheinungstermin Anfang November, die sich mit dem Thema Live-Produktion befasst).

Dass die digitale Transformation gerade auch die inhaltliche Gestaltung von Medienprodukten verändert, ist nicht neu. Im Rahmen der Konferenz kamen daher neben Virtual-, Augmented- oder Mixed-Reality- sowie 360-Grad-Video vor allem auch die Einbindung von Social-Media-Inhalten zur Sprache. Auch E-Sport, also der sportliche Wettkampf von Teilnehmern mit Computerspielen, stand auf der Agenda.

Ein weiterer damit verbundener Schwerpunkt lag auf der Vermarktung und der Distribution der Inhalte zum Konsumenten. Ein heißes Eisen, das im Rahmen der Diskussion um zukünftige Plattformen erörtert wurde, war der Direct-to-Consumer-Ansatz, etwa über soziale Netzwerke. Nach einer allgemeinen Einführung in das Thema zeigte unter anderem ein Anwendungsfall, wie TV-Inhalte z. B. auf Youtube oder Facebook erfolgreich vermarktet werden und so das Interesse der Konsumenten auf neue Plattformen oder OTT-Apps lenken können.

Doch das verstärkte Zusammenspiel von Rundfunk und Internet wirft auch neue Fragen auf. So kommt dem Thema Cyber Security eine wesentliche Bedeutung zu. Im Rahmen der Messe veranstaltete man erstmals parallel einen Cyber Security Summit, auf dem sich geladene Unternehmenvertreter und Experten aus Wissenschaft und Forschung über die damit verbundenen Risiken und mögliche Prävention austauschen konnten. Das Thema bewegte auch viele Aussteller auf der Messe und erste Kooperationen/neue Ankündigungen zum Schutz vor Datendiebstahl und natürlich auch im Rahmen der Prävention von Fake-News kündigten sich an.

Ganz eng verbunden mit der Fake-News-Debatte und Datensicherheit im Netz ist das Thema künstliche Intelligenz und insbesondere die Nutzung von Bots, können diese Computerprogramme doch automatisch und ohne menschliches Zutun Websites oder auch Nutzer „ausspionieren“ und so etwa Sicherheitslücken entdecken und immensen Schaden anrichten. Doch die Bots auf der „guten Seite“ bieten für die Branche auch enorme Möglichkeiten. Sprach- und Text-Bots etwa stecken zwar noch in den Kinderschuhen, stellen Content-Anbietern aber in Zukunft nützliche Funktionen in Aussicht. Sprachgesteuerte Angebote gibt es im Home-Entertainment-Bereich bereits, z. B. bei Fernbedienungen. Textdienste sollen bei der Suche nach oder zur Bewerbung von Inhalten helfen. Ein Konferenzbeitrag beschäftigte sich mit dem Thema von der Pike auf und zeigte unter anderem, wie die Musikbranche Bots wie eine Chat-Plattform bereits einsetzt.

Im Rahmen der Paper Sessions mit Beiträgen aus Forschung und Entwicklung ging es zum Thema Deep Learning unter anderem um gestengesteuerte Media-Interfaces und die aktuellsten Entwicklungen auf diesem Gebiet. Hier wurde unter anderem gezeigt, welche Hinweise Studien zum Konsum von Videos zur Gestaltung von Nutzerschnittstellen geben.

Besucher der Konferenz konnten auch Bekanntschaft mit zwei „waschechten“ Robotern machen: Sophia und Professor Einstein wurden nach menschlichem Vorbild von Dr. David Hanson, Gründer und Geschäftsführer von Hanson Robotics, gestaltet. „Dr. Sophia“ konnte auf Fragen mündlich mit entsprechender Mimik antworten. Der Vortrag beschäftigte sich nach dieser Demonstration nicht nur mit der Technik dahinter, sondern auch mit ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Roboterforschung.

Für den Ausstellungsbereich der Future Zone blieb bei so viel Zukunftsmusik schon fast nichts mehr übrig. Zwar wurden auch hier einige spannende Themen, zum Beispiel der Einsatz von VR in der Ausbildung von medizinischem Fachpersonal gezeigt, doch passte sich der Bereich in diesem Jahr dem etwas blassen Gesamteindruck an – vieles hatte man so oder ähnlich schon gesehen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die 50. Ausgabe der IBC zwar vielleicht nicht die glanzvollste war. Doch war sie wichtig, um für die Branche Perspektiven in Richtung Zukunft zu geben. Neben Zukunftsthemen wie künstlicher Intelligenz, Datensicherheit oder 5G-Distribution waren auch die thematischen „Dauerbrenner“ wie HDR und WCG oder 8K in der Diskussion.

Die Organisatoren zeigten ebenfalls sich zufrieden mit der Veranstaltung und konnten mit Startup Forum und dem exklusiv der obersten Führungsriege und Experten vorbehaltenen C-Tech-Forum mit den beiden Themenbereichen Cyber Security und 5G drei neue Initiativen starten. Aktuellen Zahlen zufolge soll man mit 57.669 Besuchern erneut einen Besucherrekord aufgestellt haben.

Gewinner der IBC Awards 2017

International Honor for Excellence Award

Dolby

Innovation Awards

BT Sport (in der Kategorie Content Everywhere)

Groupe Média TFO (in der Kategorie Content Creation und Preis der Jury)

Viacom 18 (in der Kategorie Content Distribution)

Best Conference Paper

Marcelo Souza, João Castellani, Daniel

Monteiro, Carlos Octávio (alle Globo TV)

Termine IBC 2018

Konferenz: 13. bis 17. September

Fachmesse: 14. bis 18. September

Mehr Informationen unter www.ibc.org 

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