Der neue Ü-Wagen FÜ01 ist das erste auf IP-Basis gebaute mobile Produktionsmittel des ORF und für Sport-, Unterhaltungs- und Musikproduktionen konzipiert. Die gesamte Video- und Audio-signalverteilung im ORF FÜ01 erfolgt mittels IP-Technologie auf der Basis von SMPTE ST 2110 und SMPTE ST 2022-7 sowie AES 67. Herzstück der Systemarchitektur sind zwei IP-Router, die als 1:1-Redundanz konfiguriert sind. Devices, die über IP-Schnittstellen verfügen, sind mit diesen Schnittstellen redundant direkt an die beiden Router angeschlossen und transportieren ihre Video- und Audioinhalte nur noch über IP. Für Devices ohne eigene IP-Schnittstellen werden IP nach SDI Embedded Konverter (und umgekehrt) verwendet. Ein Broadcast SDN Controller sowie ein Monitoringsystem stellen sicher, dass die im Broadcastbetrieb erforderlichen Steuerungsfunktionen und Signalisierungen auch im IP-Umfeld wie gewohnt nutzbar sind.
The new OB Van FÜ01 is ORF’s first IP based mobile production facility. It is mainly used for winter sport, classical music and entertainment productions. The entire video and audio signal distribution in the ORF FÜ01 is using IP technology based on SMPTE ST 2110, SMPTE ST 2022-7 as well as AES 67. Core element of the system architecture are two IP routers working in a 1:1 redundancy configuration. Devices that already provide IP interfaces are connected directly to the routers and transport their video and audio content via IP only. Some additional devices do not yet provide IP interfaces. Their video and audio signals need to be transferred into the IP system via IP to SDI Embedded converters (and vice versa). A Broadcast SDN Controller as well as a monitoring system guarantee the usability of control functions needed to operate and monitor the broadcast systems, independent from the devices and the IP signal transport mechanism.
Einsatzzweck und Projektumfang
Haupteinsatzzweck ist die Übertragung von Sportereignissen, insbesondere Wintersport, sowie Wahlsendungen, Unterhaltungssendungen und hochwertige Klassik-Musikproduktionen. Der FÜ01 kam erstmalig im Wintersport 2019/2020 bei der Übertragung des Biathlon-Weltcups aus Hochfilzen, der nordischen Kombination aus Ramsau, dem Dreikönigsspringen in Bischofshofen und dem Ski-Weltcup in Kitzbühel zum Einsatz.
Die technologische Besonderheit des Fahrzeugs besteht in der Nutzung modernster IP-Technologie auf Basis von SMPTE ST 2110, die von BFE Studio und Medien Systeme für den FÜ01 konzipiert, geplant und umgesetzt wurde. Es wurde ein skalierbarer Ansatz als Vorlage für größere Systeme gewählt. Darüber hinaus sind im Rahmen dieses Projekts auch alle entsprechenden Weiterentwicklungen bezüglich der eingesetzten IP-Technologie eingeflossen.
Ziel des ORF war es, eine kosteneffiziente Lösung und die teilweise Weiterverwendung von vorhandenem Equipment zu ermöglichen. Bei der Umsetzung der Anforderungen kamen nur Standardprodukte zum Einsatz. Kundenspezifische Entwicklungen wurden vermieden. Um das Bedienpersonal an die neue Technologie heranzuführen, sollte möglichst keine Änderung der bei Sportproduktionen etablierten und bewährten Workflows erfolgen.
Selbstverständlich ist eine Anbindung an die Infrastruktur des ORF Zentrums möglich und das neue IP-Konzept fügt sich in die langfristige IP-Konzeptionierung des ORF ein.
Die Hauptmerkmale des IP-basierten Technikwagens sowie des Materialwagens sind:
- Technikwagen als Sattelauflieger mit drei Ausschüben
- Zwei Video- und zwei Audio-Regieräume
- 18 kabelgebundene und acht drahtlose Kameras
- 30 Kanäle zur Slomotion Aufnahme und Wiedergabe
- Signalverteilung mit Video- und Audio-Over-IP (SMPTE ST 2110, SMPTE ST 2022-7 und AES 67)
- BFE KSC CORE Broadcast Control System
- BFE KSC SILKNET Broadcast SDN Controller
- BFE KSC SinAlarm Monitoringsystem
- Modernes Design mit optimierter Akustik
- Materialwagen-Auflieger mit Multifunktionsraum, Servicebereich und Lager
Fahrzeug, Raumkonzept und Verkabelung
Das Raumkonzept des Technikwagens basiert auf zwei Bildregien (BR-A, BR-B), einer Bildtechnik (BT), einer großen Tonregie (TR-A) und einer kleiner Tonregie (TR-B) im Bereich der zweiten Bildregie. In der großen Tonregie befinden sich weiterhin ein Aufnahmeleiterarbeitsplatz, ein Arbeitsplatz für einen Kommunikationsingenieur sowie ein Arbeitsplatz für einen Ton-Cutter. Bis zu sechs Slomotion-Operatoren können in den Bildregien A und B eingesetzt werden. In der Bildtechnik werden die Kameras ausgesteuert und gegenüberliegend befinden sich ein IP-Director-Arbeitsplatz und der Arbeitsplatz des Ü-Wagenleiters. Alle Arbeitsplätze, ausgenommen der reine Bildtechnikbereich, sind multifunktional ausgestattet. Der Sattelauflieger verfügt über drei Ausschübe, zwei davon auf der in Fahrtrichtung linken Seite, jeweils für die Bildregie A und die Bildregie B, sowie ein weiterer großer Ausschub auf der rechten Fahrzeugseite.
Der Materialwagen-Auflieger verfügt über einen Multifunktionsraum, einen Servicebereich für Wartung und Kleinreparaturen sowie einen Lager-/Transportbereich für Kameras, Stative, Stageboxen und weitere Geräte, die in der Außenübertragung erforderlich sind.
Systemarchitektur und Formate
Die gesamte Video- und Audiosignalverteilung im ORF FÜ01 erfolgt mitttels IP-Technologie auf der Basis von SMPTE ST 2110 (Video- und Audiostreaming), SMPTE ST 2022-7 (Redundanz) sowie AES 67 (Audio over IP und Audio over Ethernet interoperability). Zur Synchronisierung und Referenzierung wird PTP gemäß SMPTE ST 2110-10 genutzt. Der momentan verwendete Videoproduktionsstandard ist 1080i50 bzw. 1080p50. Ein Ausbau hin zu UHD ist möglich. Der Ton ist ausgelegt für die Produktion in Dolby 5.1 und der Tonproduktionsstandard ist AES/EBU mit 48kHz.
Konkret wird jedes „Signal“ mit einem SMPTE ST 2110 Video-Stream und zwei SMPTE ST 2110 Audio-Streams mit je acht Monospuren durch das System geroutet. Der in der Norm vorgesehene ANC-Stream ist vorbereitet. Da dieses Feature zum Zeitpunkt der Projektumsetzung aber in fast allen Devices noch nicht implementiert war, konnte es (noch) nicht genutzt werden. Eine erste Anwendung ist jedoch im Slomosystem notwendig und wird beim nächsten Update-Termin getestet.
Während das Handling des Video-Streams relativ unkompliziert ist, erwiesen sich das Audiochannelmanagement und die Bandbreitenoptimierung im Audiobereich als Herausforderung. Bei der Konfiguration der SDI- nach IP-Konverter werden auf den Konvertern virtuelle Kreuzschienen angelegt, die vom Steuersystem geschaltet werden. Zu jeder Videokreuzschiene wird eine doppelt so große Audiokreuzschiene verwendet, denn zu jedem Video-Stream gehören zwei Audio-Streams. In bestimmten Konstellationen ist es sogar notwendig, die 16 Audio-Monospuren individuell zu schalten. Das spiegelt sich in der Referenzierung der Audiokanäle durch das Steuersystem wider und erzeugt aufgrund der individuellen Konfiguration der Konverter recht große und umfangreiche Konfigurationsdateien sowie einen entsprechenden IP-Adressenbedarf.
Eine weitere Besonderheit im Audio ist die Bandbreitenbeschränkung bei der Anbindung des Audiomischpultsystems an die beiden IP-Router. Auf Seiten das Audiomischpultsystems steht dafür nur eine begrenzte Zahl an 1 Gig IP-Ports zur Verfügung. In diese Schnittstellen können nur eine begrenzte Anzahl von Audiostreams hineingepackt werden. Jeder Stream wiederum besteht aus acht Monospuren, von denen gegebenenfalls nur zwei genutzt werden. Die übrigen sechs Monospuren bleiben ungenutzt. Um dies effizienter zu gestalten, werden auf den SDI- nach IP-Konvertern sogenannte Audio-Kombikreuzschienen konfiguriert. Diese Kombikreuzschienen verbinden in einem SMPTE ST 2110-Audiostream bis zu acht verschiedene Monospuren zu sogenannten Kombi-Streams und erhöhen damit die Anzahl der am Tonmischpult verwendbaren Audiosignale um ein Vielfaches. Es liegt auf der Hand, dass die Konfigurationen in den daran beteiligten Systemkomponenten die Ansteuerung der Monokanäle ermöglichen und das Steuersystem dies auch abbilden muss.
Die Taktbasis für das gesamte IP-System wird durch zwei Evertz-Taktgeneratoren gelegt, die die PTP-Zeitreferenz gemäß SMPTE ST 2110-10 erzeugen. Per Konfiguration des entsprechenden Parameters sind diese beiden Geräte als Main und Backup die PTP-Grandmaster im Fahrzeug und stellen außerdem auch den immer noch notwendigen Blackburst zur Verfügung, der natürlich synchron zum PTP sein muss. Viele praktische Herausforderungen im IP-Umfeld hängen mit dem PTP und der Konfiguration von Grandmaster und seinem Backup-Szenario zusammen. Es muss durch entsprechende Konfigurationen verhindert werden, dass sich andere Geräte zum PTP Grandmaster „aufschwingen“ und das System „aus dem Takt bringen“. Der PTP verfügt über wesentliche Parameter, die entsprechend exakt konfiguriert werden müssen, um Bild und Tonsignal optimal verteilen zu können. Die Taktgeneratoren werden im FÜ01 ebenfalls dazu verwendet, die Testsignale für Bild und Ton als SMPTE ST 2110-Streams zu erzeugen und über die IP-Router verteilbar zu machen.
Einsatz und Anbindung der Devices
Im Zuge der Implementierung der IP-Technologie in Broadcastgeräten setzen die Entwickler vermehrt auf „Software Defined Hardware“. Dies erhöht natürlich die Flexibilität, aber bei der praktischen Umsetzung auch den Konfigurationsaufwand. Die Planungsaufgabe umfasst daher nicht nur die Verkabelungsplanung, sondern in viel größerem Umfang die Vorgabe und Dokumentation der Konfigurationen. Es ist ein enger Informationsaustausch mit den Produktlieferanten erforderlich, um herauszufinden, wie das Gerät am sinnvollsten genutzt und im System eingebunden werden kann. Hinzu kommt, dass sich der Leistungsumfang stetig ändert und erweitert. Im Zuge des Projektes wurde das Planungsteam immer wieder mit neuen Firmwarereleases konfrontiert, die die Möglichkeiten der Geräte erweitert, aber auch immer wieder Entwicklungs- und Konfigurationsanpassungen notwendig machten. „Manage the Change“ beschreibt das recht passend. Allerdings war es zur Sicherstellung einer termingerechten Auslieferung des Ü-Wagens zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendig, ein Design-Freeze vorzunehmen und nur noch Änderungen zuzulassen, die wirklich notwendige Features, wie beispielsweise Havarie-Handling gemäß 2022-7, einführten.
Prinzipiell kommen im Fahrzeug zwei verschiedene Arten von Devices zum Einsatz. Auf der einen Seite Devices, die bereits über IP-Schnittstellen verfügen. Diese sind über ihre IP-Schnittstellen redundant direkt an die beiden IP-Router angeschlossen und transportieren ihre Video- und Audioinhalte nur noch über IP. Das sind:
- Videomischer Sony XVS 7000
- Slomoserver EVS XT-VIA
- Monitore SonoVTS QDP Serie
- Audiomischer/-kreuzschiene Lawo MC mit Nova 73
- Testsignal- und Taktgenerator Evertz 5700 MSC
- Messgerät Tektronix Prism
- Messgerät TSL PAM2-IP-3G
- IP nach HDMI Konverter AJA IPR-10G2-HDMI
- Multiviewer Lawo DMV
Auf der anderen Seite verfügen einige Komponenten noch nicht über die benötigten IP-Schnittstellen. Damit sie ebenfalls ins System eingebunden werden können, werden ihre Video- und Audiosignale über „IP- nach SDI Embedded-Konverter“ (und umgekehrt) der Firma Lawo vom Typ C-100 konvertiert. Diese Konverter wiederum sind über ihre IP-Schnittstellen redundant an die beiden Arista-Router angebunden. Zur Wandlung kommen zwei verschiedene Konverterversionen zum Einsatz. Die Version mit 18 SDI-Eingängen und zwei SDI-Ausgängen wird vorrangig zur Anbindung der Kameras und der Matchingplätze verwendet. Die zahlreich eingesetzte Konverterversion mit zehn SDI-Ausgängen und zehn SDI-Eingängen bindet die anderen SDI-Geräte in das IP-System ein.
Die Konverter können umfassend konfiguriert werden. Dies macht sie flexibel einsetzbar, ist jedoch auch eine Herausforderung bei der Konzeptionierung und der Inbetriebnahme. Hinzu kommt die Notwendigkeit, die Konverterkonfiguration und die Ansteuerungsparameter zu dokumentieren. Die branchenüblichen AutoCAD Pläne sind die Basis dafür, reichen aber bei weitem nicht aus. Zusätzliche „Verdrahtungspläne“, Excellisten und Skripte müssen für jeden Konverter individuell entwickelt und gepflegt werden. Über die Skripte werden die Konverter einzeln konfiguriert. Für Tests oder schnelle Änderungen sind die Parameter ebenfalls über das Userinterface zugänglich und einstellbar.
Wie oben bereits erläutert, werden sich die Leistungsmerkmale der Geräte stetig weiter entwickeln und es ist damit zu rechnen, dass sich die Anzahl der notwendigen Konvertierungen verringert. Ob und wie das gegebenenfalls in eine Nach-/Aufrüstung des FÜ01 einfließen wird, erfordert eine Abwägung von Nutzen und Aufwand, verbunden mit einer entsprechenden Feinplanung sowie ausreichend dimensionierten Systemintegrationstests.
Netzwerke
Schwerpunkt der Signalverteilung sind nicht mehr die in der SDI-Technologie üblichen Kreuzschienen, sondern ein Media-Netzwerk, das durch ein Management-Netzwerk ergänzt wird. Herzstück des Media-Netzwerks sind zwei Arista-Router vom Typ 7504 mit maximal 110 40G/100G Ports sowie 48 1G Ports. Die beiden Router sind als 1:1-Redundanz im Sinne von SMPTE ST 2022-7 konzipiert und die Routen werden durch den Orchestration Layer (BFE KSC SILKNET SDN Layer) verwaltet. Für jeden Port kann man individuell festlegen, ob ein 40G- oder ein 100G-SFP verwendet wird. Das heißt in der Praxis, dass die Möglichkeiten des angeschlossenen Gerätes die Bandbreite des Routerports bestimmt. Es kommen 81x 40Gig- und 29x 100G-Ports zum Einsatz. Im Ausblick auf UHD als Videoformat ist es wünschenswert, dass in der Zukunft vermehrt die Verwendung von 100G-Ports möglich ist. Verschiedene Hersteller haben das bereits auf der Roadmap, da aber für den FÜ01 ein Design-Freeze notwendig war, bleibt diese Verbesserung den zukünftigen Update-Zyklen vorbehalten. Die 1G-Ports werden hauptsächlich für die Anbindung des Audiomischpultsystems verwendet.
Auf den IP-Routern ist ein Layer 3-Netzwerk konfiguriert. Die Ausnahme stellt der Lawo-Multiviewer DMV-64 dar. Dieser besteht aus 13 C-100-Karten, die zusammen einen Multiviewer-Verbund ergeben. Die Verteilung der Multiviewer-PIPs innerhalb dieses Verbundes erfolgt über Layer 2 und ist konfiguratorisch auf den beiden Routern als separates VLAN abgebildet.
Die Managementaufgaben im Fahrzeug werden durch ein umfangreiches Cisco Management-Router-Netzwerk wahrgenommen. Es besteht aus acht gestackten Switchen mit insgesamt 384 Ports, die in verschiedene VLANs aufgeteilt sind. Jedes Device, das für Signalverteilung über SMPTE ST 2110 benutzt wird, benötigt auch einen Management-Port, um dem Steuersystem die entsprechende Konnektivität zu bieten.
Die Konfiguration, Verwaltung und Nutzung dieser Netzwerke erfordern die Vergabe und das Management einer großen Menge von Multicast- und Management-IP-Adressen. Dies war zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme ein manueller Prozess. Ebenso aufwendig war die individuelle Konfiguration der Devices. In vielen Geräten mussten die IP-Adressen manuell eingetragen werden, sowohl auf Seiten des Gerätes als auch auf Seiten der Steuerungs- und Monitoringsysteme. Hier sind die Hersteller gefordert, durch Implementierung des NMOS-Standards die Konfiguration zu vereinfachen.
Steuerung und Orchestrierung
Damit die im Broadcastbetrieb erforderlichen Steuerungsfunktionen und die Signalisierung von Tally sowie Labels auch im IP-Umfeld wie gewohnt nutzbar sind, wird das Steuerungs- und Monitoringsystem KSC CORE der Firma BFE eingesetzt. Er bindet die Hardware-Bediengeräte an, stellt die graphischen GFX-Benutzeroberflächen auf den Tablets bereit, verwaltet die realen und virtuellen GPI/Os, übernimmt die Tally-Signalisierung mit Rot-, Grün- und Gelb-Tally sowie die Label-Verteilung. Die IP-Schicht wird vom vom Broadcast SDN Controller KSC Silknet orchestriert, der als Dienst des KSC CORE Systems fungiert und das Routing der SMPTE ST 2110-Streams übernimmt. Daher schaltet der Operator am „Kreuzschienenbedienteil“ und der GFXUnit wie gewohnt Quellen auf Senken. Er findet eine bekannte Benutzeroberfläche vor, obwohl er damit keine Video- und Audio-Kreuzschienen schaltet, sondern einen IP-Router beziehungsweise virtuelle Kreuzschienen auf den SDI/IP-Konvertern.
System-Monitoring
Mittlerweile ist das System Monitoring ein elementarer Bestandteil in der neuen IP-Technologie geworden. Einfache Problemanalyse wie testweises Umstecken von den „grünen“ Kabeln auf andere Ein- oder Ausgänge ist nicht möglich, da keine dedizierten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen mehr existieren. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Multicastadresse des Senders, die Route zum Empfänger durch das Netzwerk und der Sender die richtige Multicastadresse verwenden. Die Überwachung und Aufzeichnung von Status- und Performancedaten von Servern, Broadcast-Equipment, Switchen und einzelnen Diensten ist somit nur noch ein Teil der Herausforderung. Das frühzeitige und proaktive Benachrichtigen im Fehlerfall, um Ausfälle zu vermeiden und den Betrieb sicherzustellen, ist wichtig.
Im FÜ01 ist das Monitoringsystem KSC SinAlarm von BFE implementiert. Das Monitoringsystem ist als hochverfügbares Clustersystem mit automatischem Failover konfiguriert und stellt alle gesammelten Daten übersichtlich auf der Monitoring-Webseite dar. Die eigentliche Herausforderung im FÜ01 bestand darin, die verschiedenen Dienste (PTP, Flows, etc.) gesamtheitlich zu monitoren und auswertbar zu machen. Die Beziehungen dieser Dienste untereinander werden über logische Operatoren als Gesamtservice dargestellt. Im Laufe der Inbetriebnahme und der ersten Betriebswochen hat sich gezeigt, dass die folgenden Features im FÜ01 notwendig sind. Sie wurden entsprechend implementiert:
- Die aktuelle Systemkonfiguration wird überwacht. Eine Fehlkonfiguration beispielsweise auf dem PTP-Grandmaster, ausgelöst durch Einspielen einer neuen Firmware oder eine versehentliche Fehlkonfiguration, kann schnell zu Sendestörungen führen. Das Monitoringsystem prüft daher regelmäßig auf Konfigurationsänderungen.
- Es sollen nur Flows im Netzwerk vorhanden sein, die durch den Orchestrator geschaltet werden. KSC SinAlarm korreliert die Daten des Steuersystems mit den tatsächlichen vorhandenen Flows auf dem Switchen.
- Die Anzeige der gefundenen Flows soll zusätzlich zu der Multicast-Adresse auch den im Steuersystem konfigurierten Namen erhalten. Dies erleichtert die Fehlersuche erheblich. Daher fügt KSC SinAlarm die Labels aus dem Steuersystem und Switches hinzu.
- Die Überwachung der PTP-Kommunikation ist notwendig. Alle Delay Request Messages pro Gerät werden überwacht. Bleibt die Meldung aus, liegt ein Problem in der PTP-Synchronisation vor.
- Die Performancedaten der Ports und Flows werden gesammelt, ausgewertet und grafisch dargestellt.
- Ausgeschaltete Geräte sollen nicht überwacht werden und damit Fehlermeldungen erzeugen. Dies erhöht die Übersichtlichkeit. Um das zu erreichen, kommuniziert das Monitoringsystem direkt mit der SPS.
- KSC SinAlarm analysiert und wertet die Logdaten aus.
- Der Ein-/Ausschaltvorgang des Fahrzeuges wird vereinfacht, überwacht und angezeigt.
- Zusätzlich zum Systemmonitoring erlauben neue Messtechnikgeräte, wie das im Fahrzeug verwendete Tektronix Prism oder das TSL PAM2IP, die Analyse von SMPTE 2110-Streams oder PTP-Parametern und helfen so bei der Ursachensuche.
Fahrzeug Ein-/Ausschaltvorgang
Das Ausschalten des Fahrzeuges ist aufgrund der vielen IT-Systeme sehr aufwendig. Systemzustände und Konfigurationen werden gespeichert bevor alle Systeme kontrolliert heruntergefahren werden und bevor der Strom abgeschaltet wird.
Fast noch wichtiger als das geregelte Herunterfahren ist der geregelte Einschaltprozess des Ü-Wagens. Die Router und Geräte müssen in einer bestimmten Abfolge gestartet werden, um Probleme bei der Initialisierung und Kommunikation der Systeme untereinander zu verhindern. Dazu gibt es einen über die Stromeinschaltung gesteuerten Ablauf. Um den Operator zu entlasten und einen reibungslosen Ablauf der Abschaltung zu gewährleisten, wird der Vorgang automatisiert durch das KSC SinAlarm-System gesteuert, das heißt durch das Monitoring-System vereinfacht, überwacht und angezeigt. Hierzu initiiert der Operator den Shutdown über die KSC SinAlarm-Webseite und die Systeme werden automatisiert heruntergefahren. Auch der Einschaltvorgang wird durch die KSC SinAlarm-SPS-Kommunikation entsprechend überwacht.
Redundanz und Havarie
Das grundlegende Redundanzprinzip wird durch SMPTE ST 2022-7 definiert. Alle Devices, die dazu in der Lage sind, sind mit zwei Netzwerkschnittstellen verkabelt. Schnittstelle 1 geht auf Router 1, Schnittstelle 2 auf Router 2. Auf beiden Schnittstellen werden SMPTE ST 2110-Streams mit derselben IP-Adresse verwendet, die beiden IP-Router sind nicht miteinander verbunden und bilden so zwei parallele separate Routing-Instanzen. Das Steuersystem „schaltet“ die beiden IP-Router identisch und sorgt so dafür, dass die Streams des größten Teils der Geräte bei Ausfall eines Routers parallel auf dem anderen Router zur Verfügung stehen. Das empfangende Device kann somit immer einen gültigen Stream gemäß SMPTE ST 2022-7 verwenden.
Fazit
Der FÜ01 des ORF ist ein IP Ü-Wagen, der erfolgreich bei Sportproduktionen eingesetzt wird und prinzipiell genauso wie ein Ü-Wagen auf SDI-Basis bedienbar ist. Die neue Technologie stellt bei Planung und Inbetriebnahme vor neue Herausforderungen, die durch andere Herangehensweisen beherrscht werden. Die neuen Systemkomponenten können flexibler eingesetzt werden, erfordern aber auch weitaus mehr Konfigurations- und Testaufwand. Steuerung, Orchestrierung und Monitoring gewinnen für die bestimmungsgemäße Funktion noch größere Bedeutung.