Die European Broadcasting Union (EBU) ist die weltweit führende Allianz unter den Organisationen für Public Service Media (PSM). Das Radio Live Network der European Broadcast Union wurde bisher von 47 der 115 Mitglieder Staaten der EBU genutzt, um Konzerte und Events über die Kanäle Haydn und Liszt zu übertragen. Im Jahr 2017 wurde entschieden, altersbedingt das bestehende System zu erneuern und zukunftsorientiert durch ein vollständig IP-basiertes System abzulösen. Die bisherige Contribution und Distribution über Satelliten sollte durch Audio over IP abgelöst werden, und zwar ohne Qualitätsverluste. Das war der Start für das Radio over IP Projekt ROIP, das im Sommer vorigen Jahres mit der Flex-Plattform und den IP-4c Vier-Kanal-Audio-over-IP-Codecs von 2wcom ausgerollt und in den vergangenen Monaten durch ein erweitertes Backup-Konzept optimiert worden ist.
Im Jahr 2017 haben die Ingenieure der EURORADIOMitglieder und ES SA (Eurovision Services SA) beschlossen, das Radio Live Network zu modernisieren. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das bestehende System drei Kanäle, die über Satellit und Internet verbreitet wurden. Das eingesetzte Equipment war zum Teil am Ende seiner Betriebsdauer. Die genutzten Audiocodecs waren veraltet. Des weiteren gab es zu viele und inkonsistente Möglichkeiten, Beiträge zu liefern oder zu verteilen. Die Herausforderung bestand darin, die vorhandenen Geräte zu ersetzen, bevor das aktuelle Netzwerk unzuverlässig wird, und eine Lösung zu finden, die den folgenden Anforderungen gerecht wird:
- Ein neuer und vereinfachter Weg, um Radio-Live-
Konzerte als Beitrag zu erstellen und unter den 47 EURORADIO-Mitgliedern zu verteilen. - Eine Qualität und Zuverlässigkeit zu erreichen, die dem bisher eingesetzten Satelliten-System entspricht.
- Die Möglichkeit, über die neue Infrastruktur zusätzliche Dienste zu nutzen – zum Beispiel bidirektionalen Austausch oder zusätzliche Einsatzmöglichkeiten neben Live-Konzerten.
- Eine definierte Latenz von maximal zehn Sekunden.
- Die TCO (Total Cost of Owner Ship) im Vergleich zum aktuelle Netzwerk zu reduzieren.
Bei der Systemarchitektur entschieden sich die EURORADIO Contact Engineers in Kooperation mit der ES SA für die Flex-Plattform, die bereits für den Fernsehbereich der EUROVISION eingesetzte wurde. Hierbei handelt es sich um eine von den Ingenieuren der ES SA entwickelte Lösung, die als unabhängig agierendes digitales Übertragungstool eine Distribution von Live-Inhalten über mehrere Netzwerke ermöglicht. Basis für die Bereitstellung und Verteilung von Inhalten ist das SRT-Protokoll (Secure Reliable Transport), das IT-Sicherheit und einen stabilen Betrieb über seinen integrierten Features gewährleistet, wie zum Beispiel:
- Geringere Bandbreite im Vergleich zu anderen Mechanismen.
- Sicherheit durch eine AES 128/256-Bit-Verschlüsselung.
- Eine fortschrittliche Technik zur Wiederherstellung von verloren gegangenen IP-Paketen: Nur bei Paketverlust wird genau das vermisste Paket beim Sender angefordert. Im Ergebnis sind die Latenz und auch die benötigte Bandbreite niedriger als bei der Pro-MPEG FEC oder SMPTE 2022-7 (Dual Streaming).
- Wiederherstellung des Video- und Audio-Stream-Zeitstempels.
- Für jeden Endpunkt kann definiert werden, ob dieser als Sender, Empfänger oder im Rendezvous-Modus agiert.
- Ein Monitoring, das die Netzwerkleistung zwischen den Endpunkten in Hinblick auf IP-Paketverluste, Latenz und Jitter überwacht.
Um die 47 EURORADIO-Mitglieder mit dem Flex-System zu verbinden, suchte das ROIP-Projektteam nach einem Audio-over-IP-Codec, der Live-Konzerte in das orchestrierende Flex-System einspielt oder von diesem empfängt. Daher wurde eine kurze Liste an Mindestanforderungen aufgesetzt:
- Zwei Kanäle für die Reduzierung der benötigten Geräte.
- AES3/XLR-Schnittstellen zur Entgegennahme der Live-Konzerte.
- Audio-Codecs wie PCM und Opus für die Audio-Encodierung.
- SRT und RTP/RTPC für das IP-Streaming.
- Die Möglichkeit, das Equipment remote über HTTPS, SSH oder SNMP zu steuern.
- PTPv2 für die Zeitsynchronisation.
Die Entscheidung für das zukünftige Ökosystem war gefallen. Ab diesem Punkt begann ein sehr intensiver Rechercheprozess, um einen Audio-over-IP-Codec zu finden, der die oben genannten Anforderungen und technischen Spezifikationen erfüllt. Außerdem sollte die neue Hardware die Verwendung gemeinsam genutzter Ressourcen (Geräte, Netzwerke usw.) ermöglichen und vorzugsweise die Verteilung über Internet oder CDN unterstützen. Teil des Projektumfangs war ein Proof of Concept, um die Lösungen von drei Herstellern zu validieren. Dieser startete im Dezember 2018. Unter anderem testeten die Ingenieure der ES SA im Labor das Folgende:
- PCM-Streaming über sechs Stunden.
- Kappen der Internetleitung mit einem Buffer größer als eine Minute.
- Abschalten von einem Audio-over-IP-Codec.
- 60 Mal hintereinander das Encodieren und Abspielen eines kurzen Clips von einer Minute Dauer.
- Den Buffer auf zehn Sekunden einstellen.
- Mix aus Raw PCM und Opus in/out.
- Alles für 30 Sekunden herunterfahren und die Geräte neu starten.
- Internetleitung mit mindestens 500 Kbits/s (Opus).